
Kuratiert von Dietikon Projektraum mit TETI Group

Die Ausstellung besetzt das ‚Alte Bauamt‘ Dietikon. In seinem aktuellen prekren Zustand verkörperlicht das Gebäude selbst die Ambivalenzen von Städteplanung. Dieser Ort, an dem vor Jahrzehnten Entscheidungen über die Entwicklungen der Stadt getroffen wurden, wartet nun selbst auf seine Kernsanierung und Neubesetzung und zeigt so Dynamiken des urbanen Wachstums und dessen Widersprüchlichkeiten auf.
Ausgehend vom Volumes nature/city archive geht die Ausstellung auf die Verflechtungen zwischen Natur und Stadt ein. Vor dem Hintergrund sozio-ökonomischer Interessen, Gentrifizierung und im Bewusstsein über Prozesse von Aneignung, Privatisierung, Vertreibung und Kommerzialisierung widmet sich die Ausstellung den Handlungsmächten vielstimmiger Akteur*innen. Es wird beleuchtet, wie Menschen und mehr-als-Menschliches das Bild der Stadt formen und verändern. Tiere markieren ihr Territorium mittels Duftdrüsen, Spuren oder Urin und schaffen so ihre eigene visuelle und geruchliche Geografie. Unkraut wächst am Strassenrand entgegen der Logik der hygienischen städtischen Kontrolle. Im Geflecht der Globalisierung zirkulieren Viren, die die Menschen dazu zwingen, drinnen zu bleiben. Die Ausstellung Oops a daisy! (urban management remix) zeichnet die Stadt als ein weitverzweigtes Netz vielstimmiger Lebensformen. In diesem Netz werden bestehende Einteilungen wie „natürlich“ und „künstlich“ und so entstehende Spannungen bedacht.

Um diese Spannungen zu verstehen, betrachtet die Ausstellung aktuelle Bemühungen, über die von westlichen Wissenssystemen vererbte Kluft zwischen Natur und Kultur hinauszugehen. Wie können wir mit unserer lokalen Umwelt so umgehen, dass Spannungen, die durch die andauernde Kommodifizierung der “Natur” entstehen, abgebaut werden? In der architektonischen und städtebaulichen Gestaltung unseres Planeten, unserer Kontinente, Städte und Dörfer ist eine Gewalt im Spiel, die sich in systematischer Vermessung, Teilung und Nutzungsbestrebungen zeigt. Wie verändert uns dieses Drücken, Ziehen und Zerren an vorgefertigter und ungewisser Zukunft? Welchen Einfluss, Position und Stimme haben Tiere in der Urbanisierungsmaschine? Welche Rollen spielen dort Mineralien, Waldgeister, übersehene Kräuter und Unkräuter, die vergessen wurden auf der Baustelle zu entfernen? Die Ausstellung lenkt die Aufmerksamkeit auf jene vielfältigen Formen, die die Erfahrungen in der wachsenden Stadt annehmen können. Durch Beachtung der nicht greifbaren individuellen und kollektiven Aneignung des scheinbar gesichtslosen Fortschrittstempos können fruchtbare, unentdeckte eröffnen werden, in denen alternative Formen des Wissens, Geheimgänge zu einer umstrittenen urbanen Realität öffnen können.
LITHIC ALLIANCE, Crystal Blades

Dieser Film spürt den in materieller Umgebung gespeicherten Energien nach und untersucht ihre ontologische Bedeutung. Welche Kräfte haben Mineralien in unserer Welt? Die Arbeit erforscht die Idee der Nähe, um zu einem Verständnis von Orten der Mineralgewinnung und der entsprechenden Umwandlung ihrer Energie zu kommen. Durch die Gegenüberstellung von manuellem Abbau von Mineralien, Computerdarstellungen von Bergbauprojekten und wissenschaftlichen Einrichtungen schafft der Film eine Reihe von Spekulationen und Fantasien über die Mechanismen und Prozesse rund um Mineralressourcen und deren Beziehung zu Kapital. Crystal Blades ist somit eine visuelle Reise zu Orten, an denen Mineralien und ihre Ablagerungen entstehen, und beobachtet, wie sie an dem zeitgenössischen Zusammenleben teilnehmen.
LOURENÇO SOARES, Books

Die Arbeit verbindet die gesellschaftliche Produktion von Wissen über die „Natur“ mit ausbeuterischen Baupraktiken im Städtebau, indem sie Cover von fiktiven Enzyklopädien und wissenschaftlichen Abhandlungen auf Zement und Gipssäcke malt. Die Säcke stehen einerseits für die notwendige technische und körperliche Arbeit bei Bauprojekten, die die Natur um des Stadtwachstums Willen unterdrücken, andererseits erinnern sie subtil an eine Vielzahl extraktivistischer Praktiken multinationaler Konzerne. In beiden Dimensionen gäbe es ohne das Wissen über die Natur keine Möglichkeit, von ihr zu profitieren. Die Installation zeigt deutlich eine der Beziehungen, in denen sich der Kapitalismus die Natur aneignet, und macht deutlich, dass Wirtschaft und Umwelt in den Unternehmungen der Stadtentwicklung nicht zu trennen sind.


ANNE-LAURE FRANCHETTE, Grands Travaux Urbains

Die Baustelle könnte als Inbegriff der Trennung zwischen Natur und Kultur gesehen werden. Stadtplanung und -entwicklung verwandeln die Stadt in eine Maschinerie, in der Kräne, Bagger und Bauarbeiter den Boden, Pflanzen und Tiere umgraben, aufteilen und ordnen, um der Stadt, dem menschlichen Lebens- und Kulturraum, Gestalt zu geben. Die Installation hebt diese Dichotomie zwischen Natur und Stadt auf. Franchette sieht die Baustelle als einen dritten Raum, der neue Formen der Hybridität hervorbringt und einen ästhetischen Rahmen für nachhaltige Beziehungen zwischen Natur und Stadt schafft. Indem sie Pflanzen vor Ort sammelt und Baumaterial sowohl als ihren Ursprung als auch Lagerstätte für sie verwendet, schafft sie eine neue Möglichkeit, die Beziehungen zwischen Stadt und Natur neu zu überdenken und gleichzeitig eine lieux de mémoire zu ihrer wechselseitigen Dimension herzustellen.


RIIKKA TAURIAINEN, Animals, Chimeras, and Hydra

Tauriainens Arbeit nutzt Darstellungen von Tieren, Chimären und Hydren, an welchen sich die Dimension der Nichtmenschlichkeit, die die Moderne hervorgebracht hat, ablesen lassen könnten. Diese Sammlung von 200 gefundenen Abbildungen ist das Ergebnis der Forschung Tauriainens in den Tiefen verschiedener Wissensspeicher, die von der modernen Wissenschaft über die Mythologie bis hin zur Fiktion reichen. Die vierkanalige Videoinstallation prä sentiert diese Sammlung in Loop-Intervallen, welche auf übereinander angeordneten Monitoren gezeigt werden. Der sich verschiebende Farbverlauf der Bilder verä ndert stä ndig den Charakter des zu sehenden Bildes. So stellt die Arbeit auf unterschiedliche Weise die Frage, wie der menschliche Blick Mineralien, Pflanzen und Tiere konstruiert und objektiviert.
MONICA URSINA JÄGER, Forest Tales and Emerald Fictions

Forest Tales and Emerald Fictions ist eine Reflexion über die urbane Transformation Singapurs mittels Gegenüberstellung von Stadtlandschaften, Waldansichten und animierten Chlorophyllbildern. Das Video zeigt in einem Erzählstrang eine wissenschaftlich anmutende Sicht auf die Bedeutung und den Zweck des Ökosystems Regenwald und im anderen erzählt es die nostalgischen Kindheitserinnerungen einer älteren Frau in Bezug auf den Wald. Die Arbeit zeigt verschiedene Formen der territorialen und wissenschaftlichen Kolonisierung, die die Idee des Waldes beeinflussen, verortet aber gleichzeitig marginalisierte Geschichten und nicht-westliche Formen des Wissens neu. Auf diese Weise hebt sie die pluralistische, vielschichtige, multiperspektivistische Dimension des Ortes Wald und seine zukünftige Beziehung zur Stadtentwicklung hervor.
VOLUMES NATURE/CITY ARCHIVE

Nature/city erforscht die Beziehung zwischen diesen Themen aus einer Vielzahl von Perspektiven, von der Mikro- bis zur Makroebene, von der lokalen bis zur globalen und von einer spezifischen bis zu einer eher relationalen Analyse. Das Ergebnis ist ein rhizomatisches Ensemble von Publikationen, die individuell oder kollektiv die binäre nature/city durch Introspektion, Untersuchung, Dokumentation oder einfach durch Wiederholung dekonstruieren. Die ausgestellten Arbeiten sind locker in drei Abschnitte unterteilt. Auf der einen Seite findet sich das Archiv zur Stadt Zürich, eine städtebauliche und ökonomische Referenz zur aktuellen Stadtentwicklung von Dietikon. Zum anderen gibt es eine assoziative Untersuchung, die die Beziehungen zwischen Natur und Stadt im globalen Kontext beleuchtet. Schliesslich ist eine kleine Auswahl von Publikationen als poetische Beziehungen zu den in der Ausstellung präsentierten Arbeiten im Raum verteilt.
Das Volumes nature/city archive wird von Jose Cáceres, Anne-Laure Franchette und Gabriel Gee von TETI und mit Unterstützung der School of Commons aktiviert.

TETI Group
Die interdisziplinäre Studiengruppe zu Texturen und Erfahrungen der Trans-Industrialität (TETI) erforscht die sich wandelnden Imaginationen unserer globalen/lokalen Gesellschaften an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhunderts. Die Gruppe widmet sich Untersuchungen zu transdisziplinären Gemeinsamkeiten und untersucht die Potenz von Ideen, die von einer Praxis in eine andere wandern. Die Suche nach solchen Gemeinsamkeiten soll nicht zu homogenisierten Landschaften führen, sondern im Gegenteil als Sprungbrett dienen, um wieder in die Differenzierung zu investieren. Die TETI-Gruppe organisiert Ausstellungen und künstlerische Interventionen, Vorträge und Workshops sowie Publikationen und digitale Kommunikationsschnittstellen.
TETI-Mitglieder, die an Oops a daisy! (urban management remix) teilhaben, sind Jose Cáceres, Anne-Laure Franchette und Gabriel Gee.

weitere Lektüre:
Reading Rämistrasse #21: Leila Peacock on Oops a daisy!